Malerei in der dritten Dimension
Die Malereien und filigranen Farbgebilde des Hamburger Künstlers Swen Kählert führen das Genre der Landschaftsmalerei auf überraschende Wege. Linie um Linie schichtet er über Monate hinweg Farbe, immer wieder vollführt die Hand die gleiche Bewegung. Nach und nach schafft er auf diese Weise organisch-abstrakte Gebilde, in denen die Farbe zur Form und das Material zum Inhalt wird. Die so entstehenden Strukturen erinnern an scheinbar Bekanntes, wecken Assoziationen an Teile von Landschaft, an Korallenriffe, an Gesteinsstrukturen oder von oben betrachtete Dünenformationen - und bleiben doch abstrakt. Die seltsame Vertrautheit, die von diesen Werken ausgeht, liegt in ihrem Entstehungsprozess begründet, denn der Künstler bedient sich der Prinzipien des natürlichen Wachstums, welche er transformiert und für die Kunst fruchtbar macht.
„Das Prinzip der Natur ist uns ein Vorbild und zeigt uns, dass eine Sache auf die andere aufbaut.“ so Swen Kählert. Statt jedoch ein Abbild der Welt im Sinne der Erscheinungen zu fertigen, legt er die Muster hinter allen Dingen frei, die grundlegenden Strukturen, die sich im Kleinen wie im Großen stets wiederholen. Strukturalistische Landschaftsmalerei könnte man seine Kunst betiteln wollen, die schließlich selbst im Objekt aus Farbe aufgebaut ist und das malerische in die dritte Dimension überführt
„Schöpfung oder Reflexion sind hier nicht originalgetreuer „Abdruck” der Welt, sondern wirkliche Erzeugung einer Welt, die der ersten ähnelt, sie aber nicht kopieren, sondern verständlich machen will.“ formulierte einst der französische Philosoph Roland Barthes hinsichtlich seiner Variante des Strukturalismus. Er hätte damit die Arbeiten von Swen Kählert beschreiben können. Denn der Künstler begibt sich mit seinen Farblandschaften auf eine Forschungsreise, welche die Natur als Fundament unserer Existenz aus einer Perspektive betrachtet, die das Wesen der Dinge zum Vorschein bringt. Artifiziell erschaffene Mikrolandschaften liefern Erkenntnisse über die Welt als solche, die Kunst wird zum Modell und verweist gleichzeitig auf die Ästhetik, die der Natur bereits zugrunde liegt und im Kunstwerk, durch die Akzentuierung, verstärkt zur Geltung kommt.
Ebenso wie in der Natur spielt der Zufall dabei auch in der Kunst von Swen Kählert eine wesentliche Rolle. Der Künstler legt den Grundstein des Werkes, arbeitet sukzessive und kann das Resultat doch nicht zur Gänze beeinflussen. Der kontrollierte Zufall erklärt die Vitalität der Arbeiten – in seiner Publikation Zufall und Notwendigkeit behauptet Monod, dass alles Leben auf Zufälligkeit basiere und »einzig und allein der Zufall jeglicher Neuerung, jeglicher Schöpfung in der belebten Natur zugrunde liegt«. So verschmelzen in den Arbeiten Swen Kählerts Natur und Kunst auf faszinierende Weise und führen vor Augen, dass das Thema Landschaftsmalerei noch lange nicht zu Ende gedacht ist.
Anne Simone Krüger
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Roland Barthes: Die strukturalistische Tätigkeit, In: Kursbuch 5.s Mai 1966, S. 190-196. Roland Barthes beschreibt hier seine Version des Strukturalismus. Der Begriff Strukturalismus selbst bezeichnet Methoden, welche Strukturen und Beziehungen in kulturellen Symbolsystemen untersuchen.
Jacques Monod, Zufall und Notwendigkeit. Philosophische Fragen der modernen Biologie, München 1975, S. 108.
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Portrait über Swen Kählert - Skulptur, Malerei in Hamburg von OPEN STUDIO - die Mediathek für Hamburger Künstlerportraits.
Ein Interview von Les Nouveaux Riches. Verein zur Förderung der Zeitgenössischen Kunst und Kultur.
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